Auswirkung der Covid 19 Situation auf Vertragsverhältnisse

Allgemeine Fragen zur Auswirkung der aktuellen Situation des Corona-Virus auf vertragsrechtliche Beziehungen

Im Zusammenhang mit der aktuellen Situation und den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit durch die kurzfristig erlassenen Gesetze und Verordnungen ergeben sich erhebliche Auswirkungen auf Vertragsbeziehungen, die zu einer Zeit abgeschlossen worden sind, zu der die nunmehrigen Beeinträchtigungen nicht absehbar waren.

Folgende rechtlichen Überlegungen sind dabei anzustellen, wobei diese Überlegungen auf das österreichische Recht bezogen sind und ohne Einbeziehung konkreter vertragsrechtlicher Vereinbarungen erfolgen, sodass jeweils im Einzelfall eine gesonderte Beurteilung zu erfolgen hat:

 

  1. Höhere Gewalt:

Unter höherer Gewalt wird ein von außen kommendes unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis verstanden, welches außerhalb des Einflussbereiches der Vertragsparteien liegt und mit zumutbaren Mitteln nicht vermieden werden konnte. Diese Definition wurde aus der Rechtsprechung entwickelt. Der OGH hat in seiner Entscheidung 7 Ob 244/05s vom 19.10.2005 dazu ausgeführt:

„Nach herrschender Meinung liegt (grundsätzlich haftungsbefreiende) höhere Gewalt insbesondere vor, wenn ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte herbeigeführtes Ereignis, dass nach menschlicher Einsicht und Erfahrung außergewöhnlich und unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste nach der Sachlage vernünftiger Weise zu erwartende Sorgfaltspflicht, nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist“.

Grundsätzliche Rechtsfolge des Vorliegens von höherer Gewalt ist, dass eine Haftung aus dem Titel des Schadenersatzes mangels Vorliegens der haftungsbegründeten Voraussetzungen der Kausalität und des Verschuldens für Nachteile Dritter aus einer Verletzung vertraglicher Verpflichtungen, nicht zum Tragen kommt. Die gegenwärtig vorliegende Situation einer Epidemie oder Pandemie erfüllt die Voraussetzungen der „höheren Gewalt“. Der OGH hat bereits im Zusammenhang mit der vergleichbaren Infektionskrankheit SARS judiziert, dass es sich dabei um den Eintritt eines Ereignisses höherer Gewalt handelt. Es liegt daher gegenständlich durch die Corona-Situation ein Fall „höherer Gewalt“ vor.

 

  1. Schadenminderungspflicht:

Auch wenn sich einer der Vertragspartner auf höhere Gewalt berufen kann, und diesen daher grundsätzlich kein Verschulden an einer Nichterfüllung seiner Leistungspflicht trifft, womit die Haftung ausgeschlossen ist, muss jeder der Vertragspartner seiner Schadensminderungspflicht nachkommen. Dies bedeutet grundsätzlich, dass derjenige Vertragspartner, der sich auf höhere Gewalt beruft, sein Verhalten danach zu wählen hat, dass der Nachteil des anderen Vertragspartners aus der Nichterfüllung, möglichst gering gehalten wird. Dies bedeutet, dass jeder Vertragspartner der sich auf höhere Gewalt beruft, nicht nur den anderen Vertragspartner unverzüglich über Leistungsstörungen informieren muss, sondern auch seine Handlung so gestalten muss, dass der Nachteil des Vertragspartners möglichst gering bleibt. Die Judikatur sieht dabei die „Grenze des Zumutbaren“ als Beurteilung für die notwendigen und verpflichteten Handlungen im Rahmen der Schadensminderungspflicht. Um daher Ansprüche von Vertragspartnern aus Vetragsverletzung zu vermeiden, ist es erforderlich alles Zumutbare zu unternehmen, damit ein Schaden des Vertragspartners möglichst gering ausfällt.

 

  1. Wegfall der Geschäftsgrundlage:

Als Geschäftsgrundlage werden Umstände bezeichnet, von deren Bestehen die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss ausgehen und die sie zur Grundlage des Vertrages machen, ohne dass diese ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen werden. Es handelt sich dabei um gemeinsame Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei. Die Auflösung eines Vertrages oder die Anpassung wegen Wegfalls oder Änderung der Geschäftsgrundlage setzt voraus, dass eine grundlegende Veränderung gegenüber den Verhältnissen bei Vertragsabschluss eingetreten ist und dass das Beharren auf Verpflichtungen einer der Vertragsparteien nicht zumutbar ist, sondern darin ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erblickt werden müsste. Voraussetzung ist, dass der Eintritt des unerwarteten Ereignisses von den Parteien nicht bedacht werden konnte, dieses Ereignis von außen kommen muss, es sich um eine geschäftsuntypische Voraussetzung handelt und die Folge des Ereignisses eine schwere Äquivalenzstörung des Vertrages bewirken würde.

Im Zusammenhang mit der Infektionskrankheit SARS hat der OGH judiziert, dass es sich dabei um den Eintritt eines Ereignisses höherer Gewalt handelt, der als Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden kann. Der Wegfall führt zur Aufhebungsmöglichkeit des Vertrages oder zu seiner Anpassungsmöglichkeit in analoger Anwendung des § 872 ABGB im Wege der Vertragsauslegung. Grundsätzlich ist dabei in erster Linie die Anpassung des Vertrages anzustreben, weil das dem Grundsatz der Vertragstreue besser Rechnung trägt (4 Ob 103/05h). Im Zuge der gegenständlichen Corona-Situation wird daher grundsätzlich auch die Möglichkeit bestehen, aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung, insbesondere in Bezug auf Erfüllungsfristen aber auch sonstigen zeitgebundenen Verpflichtungen, vorzunehmen.

 

  1. Konventionalstrafen

In vielen Verträgen sind Konventionalstrafen für den Fall nicht rechtzeitiger Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen vorgesehen. Nach der österreichischen Judikatur sind solche Konventionalstrafen, auch wenn dies in Verträgen teilweise immer noch anders formuliert ist, immer verschuldensabhängig und unterliegen dem richterlichen Mäßigungsrecht. Aufgrund der Ausführungen zur höheren Gewalt und den Rechtsfolgen daraus, ist davon auszugehen, dass bei Verzögerungen der Leistungserbringung aufgrund höherer Gewalt kein Verschulden vorliegt, wobei dabei wieder die Schadensminderungspflicht zu beachten ist. Im Hinblick auf das grundsätzliche Recht aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage Verträge anpassen zu können, ist es auch empfehlenswert, Leistungsfristen mit dem Vertragspartner sofort geändert zu vereinbaren.